Eintritt in die Phase der Hyperinflation
Starke Zunahme der Staatsverschuldung nach dem Londoner Ultimatum
Nachdem das Kabinett Fehrenbach im Mai 1921 durch die Regierung Wirth abgelöst wurde, nahm die Staatsverschuldung weiter und besonders stark zu. Die Summe der durch den Reichstag bis zum Oktober 1922 genehmigten Anleihekredite summierte sich auf circa 383 Milliarden Mark. Gleichzeitig steigerten sich die von der Reichsbank diskontierten Schatzanweisungen auf rund 427 Milliarden Mark. Der Bargeldumlauf erhöhte sich von 71,8 Milliarden auf ungefähr 469,4 Milliarden Mark. Hierbei ist auffällig, dass erstens die Menge der von der Reichsbank angenommenen Schatzanweisungen die Menge der Bewilligten überstieg und zweitens dass die Bargeldmenge die Summe an Anleihekrediten übertraf. Die Reichsbank war nicht mehr in ausreichendem Maße in der Lage die Reichsschatzanweisungen auf dem Kapitalmarkt zu platzieren und somit verblieb ein Teil im Bestand der Bank.
Neben den Sozialkosten erhöhte sich das Staatsdefizit durch die Reparationszahlungen. Besonders die Ergebnisse des Londoner Ultimatums vom 05. Mai 1921 wiesen der Inflation den entscheidenden Weg in die Hyperinflation. Ausschlaggebend war die Beibehaltung der Zahlung in wertbeständigen Devisen über die Goldmarkrechnung, die weiter im Raum stehende Unsicherheit über die reale Belastung des Reichshaushaltes und die damit verbundenen negativen Folgen für den deutschen Geldmarkt. Da sich der Außenwert der Mark konstant verschlechterte war eine exakte Berechnung der einzelnen Reparationszahlungen aufgrund der Umrechnung in Goldmark kaum möglich. Hierbei war ebenfalls die Aufteilung in Sach– und Geldleistungen problematisch, da diese je nach Vorgabe die Reparationszahlungen in Mark umgerechnet stark verändern konnte.
Phasen der Reparationspolitik der Regierung Wirth
Im Laufe des Jahres 1921 trat die Inflation in ein neues Stadium der Geldentwertung ein und mündete mit der Ausgabe der Rentenmark am 15. November 1923 im Rahmen des Beginns der Währungsreform. Im November 1923 bestand ein Wechselkurs zwischen US-$ und Papiermark von 1 : 4.2 Billionen. Dieses letzte Stadium zeichnete sich durch viele quasiautomatisch ablaufende Anpassungsvorgänge aus. Dabei spielten in der Regierungszeit der Kabinette Wirth die Reparationszahlungen die entscheidende Rolle.
Die Reparationspolitik der Regierung Wirth lässt sich in drei Phasen einteilen:
- Politik mit innenpolitischen Lösungsansätzen (Mai – November 1921)
- Auf die Hilfe der Alliierten ausgerichtete defensive Erfüllungspolitik (November 1921 – Juni 1922)
- Inflation akzeptierende Politik
Bis Oktober 1921 musste 1 Milliarde Goldmark gezahlt werden. Durch diese Schwächung des Außen– und Binnenwertes der Reichswährung kam es 1922 zu Überlastungen des deutschen Geldmarktes. Im Sommer 1922 ging die Reichsbank dann zur unbegrenzten Ausgabe von auf weiterhin zu 6 % (5 % Zinsen + 1 % Tilgung) diskontierten Handelswechseln über, wodurch sich der Geldumlauf weiterhin extrem steigerte. Da zeitgleich die Zinssätze der Privatbanken bei 50 % und mehr lagen, kann nur im Bezug auf die Reichsbank und die Darlehenskassen von einer Kreditinflation gesprochen werden.
Von 1918 bis 1922 hatte sich die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge bereits um das Fünffache erhöht. Im Gegensatz zum Staat, der weiterhin an dem Prinzip Mark = Mark festhielt, gingen die Unternehmen endgültig zur Kalkulation mit Wiederbeschaffungspreisen über. Die Geldentwertung mit einer sinkenden Kaufkraft der Papiermark nahm durch den seit Juli 1922 einsetzenden Rückzug von Ausländern aus der Mark an Fahrt auf. Zu diesem Vertrauensverlust trug die Entscheidung des von der Reparationskommission eingesetzten Bankiersausschuss unter dem Vorsitz des amerikanischen Bankiers Morgan bei. Diese verwährte Deutschland bis nach einer Revision die Platzierung einer langfristigen internationalen Anleihe, wodurch der Reichswährung das Vertrauen gänzlich entzogen wurde. Weiterhin wurden die Märkte durch die Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenaus am 22. Juni 1922 verunsichert. Die bis dato auf eine Erholung der Mark spekulierenden Ausländer tauschten ihre Papiermarkbestände in Devisen um.
Nach dem Beginn des Ruhrkampfes und die Finanzierung des passiven Widerstandes durch den Staat im Januar 1923 sank die Parität der Mark zum US-Dollar rasant ab. Zwischenzeitlich konnte die Reichsbank durch den Aufkauf von Mark gegen Gold und Devisen den Kurs der Währung noch stützen. Doch mit dem Abbruch des Ruhrkampfes im September 1923 und die Verhängung des Ausnahmezustandes war der Höhepunkt der Inflation erreicht. Mit dem „Wunder der Rentenmark“ im November 1923 und dem Schaffen einer Ersatzwährung endete die Hyperinflation.